Leseprobe vom Horrorthriller “Einzelkind – Es kommt uns holen”

Hier findet ihr die aktuelle Leseprobe von meinem Buch. Ich wünsche euch viel Spaß beim reinschnuppern.

Mein Dad sagte mir einmal, Schicksal wäre der Spiegel der Gleichgültigkeit. Eine Ausrede für Menschen, die ohne Selbstbestimmung leben. Doch wäre es mit meinen 13 Jahren nur so einfach gewesen, dann hätte ich mit meiner Zukunft, abschließen können. Natürlich war mir schon früh klar, dass ich in keine Schublade passte. Ich war eher introvertiert, nahezu eigensinnig.
Meine Familie war alles, was ich hatte. Auch wenn mich die ständigen Analysen meines Verhaltens, durch die angewandten psychologischen Untersuchungen meiner Mum, häufig an die Grenze meiner Geduld brachte, so kann ich es heute verstehen. Sie wollte meine Aufmerksamkeit schärfen, meinen Verstand reizen und so das fotografische Gedächtnis wecken. Schlussendlich gelang ihr auch genau dies, doch trotz meines Gefühls, ihr Versuchskaninchen zu sein, spürte ich jeden Tag, dass sie es aus Liebe zu mir tat. Mum und Dad waren von meiner Geburt an immer für mich da, haben an meiner Seite gestanden, egal was auch passiert war. Selbst als jeder Schultag für mich zur Qual wurde, stärkten sie mir den Rücken. Doch leider können selbst die besten, liebevollsten Eltern nicht verhindern, dass sich das eigene Kind in der Schule einsam fühlt. Damals kristallisierte sich meine Stellung in der Klasse schon kurz nach der Einschulung heraus. Dabei hatte alles so schön angefangen. Doch selten bringt das Leben jedem ein Happy End. Und ich musste mit dieser Erkenntnis schon früh klarkommen.

So hatte ich meinen Geburtstag allein mit meinen Eltern gefeiert. Ich war mir sicher, dass sie jedes Mal genau wussten, was ich mir wünschte, wenn ich die Kerzen meines Geburtstagskuchens auspustete: Freunde. Doch da sie mir diesen Wunsch leider nicht erfüllen konnten, überhäuften sie mich stattdessen mit Geschenken. Ob es geholfen hat? Genau diese Frage stellte ich mir in der letzten Zeit häufiger. Natürlich hatte ich mich sehr über die Geschenke gefreut, aber je länger ich darüber nachdachte, wurde mir klar, dass es nicht die Geschenke waren, die mich von meiner Situation ablenkten, nein, es war mein Dad.
Ich weiß noch genau, wie er mit mir die neue Carrera-Bahn aufgebaut hatte. Wie viel Geduld er aufbrachte, während ich wieder und wieder fragte, wann das Rennen endlich starten könne. S, genau wie Dad. Ich sehe es noch genau vor mir, als wäre es gestern gewesen. Wir saßen nebeneinander auf dem Boden im Wohnzimmer und Dad hatte seinen Arm um meine Schultern gelegt. Er war sich sicher, mich in der nächsten Kurve zu überholen, doch nicht mit mir. Als sein Wagen kurz danach im hohen Bogen von der Strecke flog und vor unserem Kamin liegen blieb, lachten wir laut. Mum kam aus der Küche zu uns, schaute uns beide wie kleine Kinder mit einem grinsenden Blick an und musste nicht ein einziges Wort sagen. Denn ich wusste, sie freute sich mit uns und gab mir so das Gefühl, als würde unsere gemeinsame Zeit niemals enden.

Nachdem wir zu Abend gegessen hatten, begleiteten mich meine Eltern in mein Zimmer. Wir gingen die Wendeltreppe hinauf und mein Blick wanderte, oben angekommen, durch das alte Holzfenster. Ich blieb stehen. Der Schnee fiel schon seit Tagen unaufhörlich und stapelte sich wie alte Zeitungen in unserer Einfahrt. Kurz darauf stieß mich Dad von der Seite an, da er sah wie verträumt ich die Schneeflocken bei ihrem Tanz beobachtete und sagte: »Mad, morgen bauen wir nach der Schule einen Schneemann.« Danach strich er durch meine Haare und ich erwiderte sein sanftes Grinsen, während mir der angenehme Duft seines nussig herben Eau de Toilette in die Nase stieg. Ich liebte diesen Duft so sehr, dass ich selbst jetzt glaube ihn zu riechen, wodurch ich kurz das Gefühl der Sicherheit verspüre. Genau wie damals blitzte kurz das Gefühl auf zuhause zu sein. Bei Mum und Dad konnte ich ICH sein. Freunde sind doch nur eine Laune der Natur, sie kommen und sie gehen, doch die Familie bleibt für immer bestehen. Auch wenn sich das Band der Verbundenheit dehnen sollte, so kann es niemals zerreißen. Genau, das war es was ich mir früher immer sagte. Jetzt erinnere ich mich. Könnte ich jetzt doch noch etwas an meiner Vergangenheit ändern. Nur hätte ich wirklich etwas bewirken können?
Ich war damals bereits abgetaucht, versunken in Selbstmitleid, was dazu führte, meine Gefühle mehr und mehr wegzuschließen. Ich baute mir einen Tresor, einen Tresor aus schwerem Stahl. Legte eine Kette darum und stellte mich hinein, ehe ich den Schlüssel wegschmiss und die Tür hinter mir zuzog. Darin eingesperrtkonnte mir keiner mehr wehtun. Diese furchtbaren Hänseleien sollten am Stahl zerschellen, wie eine Fliege an der Windschutzscheibe eines heranrasenden Fahrzeuges. jeden verdammten Schultag zu verfluchen. Nur verging auch damals mein Geburtstag sehr schnell und was darauf folgte, war der Auslöser für all die schrecklichen Dinge die noch passieren sollten.

»Morgen bauen wir nach der Schule einen Schneemann.«

Der Montag begann für mich üblicherweise um 6:30 Uhr. Da wir recht weit außerhalb wohnten, musste ich einen gut eine Stunde andauernden Marsch zur Schule absolvieren. Meine Eltern hielten es für gut, mir diesen Weg zuzutrauen, denn ich wurde schon früh zur Selbstständigkeit erzogen. Und wenn ich heute daran , stört es mich auch nicht wirklich. Immerhin hatte ich so die Möglichkeit, mich jeden Morgen aufs Neue auf die Pein, die mich erwartete, vorzubereiten. Nur an diesem Tag sollte es anders sein, schließlich hatte ich mir einen Tresor aus Stahl errichtet, der meine Gefühle schützen sollte.
Auf dem Schulhof angekommen, dauerte es jedoch keine Minute, da vernahm ich es zum ersten Mal: »Na, kommst du vom Nordpol, kleine Elfe?«
Ich ignorierte es und war kurz selbst darüber verwundert, dass ich dem Drang zu weinen so gut widerstehen konnte, zumindest bis ich aus der hintersten Ecke des kleinen, mit Kreide beschmierten Schulhofes die anderen Kinder hörte: »Nein, guckt mal genauer hin, es ist ein Stachelschwein!«
Es waren so viele andere Jungen und Mädchen hier, da konnte ich kaum herausfinden, welche Gruppe mir diesen Kommentar an den Kopf geschmissen hatte. Doch warum konnte ich es überhaupt zwischen dem Geschrei der anderen Kinder verstehen? Wieso wurden die Geräusche der vielen Bälle, die gegen Wand und Boden prallten, immer dumpfer und die mir geltenden Rufe immer lauter? Ich kann es mir auch heute nicht erklären. Ja, mir war klar, dass mein Aussehen schuld an den Hänseleien war. Die kurzen blonden Haare, mein Übergewicht. Meine krumme Nase. Nur konnte ich daran doch nichts ändern! Ich überlegte also, ob ich wegrennen sollte oder ob ich es schaffen würde, standhaft zu bleiben zu diesem einen Moment: »Schweinchen Dick, Schweinchen Dick, du siehst aus wie Schweinchen Dick!«
Es dauerte nur Sekunden, entwickelten sich diese Rufe zu einem Chor. Um mich herum entstand ein Kreis aus verschiedensten Jahrgängen, ungeachtet der Anwesenheit zweier Lehrer, die versuchten, die Bildung der Traube zu verhindern.
»Schweinchen Dick, Schweinchen Dick, du siehst aus wie Schweinchen Dick!«
Nun war es so weit, Tränen drängten sich zwischen meinen zugekniffenen Augenlidern hervor, ungeachtet sie zu stoppen.
Mein Atem wurde stärker, schneller. Ja, ich erinnere mich noch genau. Und da war noch etwas anderes. Da war eine so unerträgliche Kälte, als würde ich nackt auf dem Schulhof stehen. Nackt, ohne Tresor, der mich schützen sollte und somit ohne Chance auf Gegenwehr. Diese unerträgliche Kälte ließ meine hektischen Atemversuche sichtbar aufsteigen und ich hatte das Gefühl, als würde sich der Kreis um mich herum schließen, enger und enger werden. Meine Brust schwoll an, während mein Herz wie wild dagegen donnerte. Was sollte ich bloß tun? Mir blieb nur eine Wahl, ein lauter Schrei um Hilfe. Kurz bevor ich zu Boden sinken wollte und tief Luft holte, hörte ich ein Geräusch, welches für eine kurze Lockerung meiner angespannten Muskeln sorgte, der Gong.

Die Schule begann und rettete mich so vor dem völligen Zusammenbruch. Erschreckend war jedoch, wie die Schüler einfach an mir vorbei Richtung Eingang liefen. Keiner meiner Mitschüler hatte auch nur einen bemitleidenden Blick für mich übrig. Sicher war ich damals froh darüber, dass mich der Schulbeginn gerettet hatte, doch verdammt, ich war mir vorher noch so sicher, dass mich der dicke Panzer schützen würde, dass ich dadurch ein ganz anderer Mensch wäre.

Illusion.

Die innere Unruhe in mir, während die Schulstunden einfach nicht enden wollten, war bedrückend. Mir war es kaum möglich gewesen, auf dem harten Holzstuhl sitzen zu bleiben. Mir kam es so vor, als wäre  jeder Lehrer nur eine Marionette meiner inneren Stimme. Ich konnte kein einziges Wort von ihren Monologen verstehen, übertönte meine innere Stimme sie doch mit den Worten: »Gib auf!«

Der Rückweg, es müsste gegen 13:30 Uhr gewesen sein, führte mich über den mit Schnee überhäuften Sportplatz. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie das Bellen eines Hundes das einzige Geräusch um mich herum war. Von dieser Idylle abgelenkt, war ich mehrfach auf dem glatten Untergrund ausrutscht und zu Boden gefallen. Es hatte einige Tage zuvor geregnet, womit sich die erste dünne Schneeschicht zu einem schwer einzuschätzenden Eisboden wandelte. Selbst der Ascheboden des Fußballplatzes konnte die Bildung der Eisschicht nicht verhindern.
Ich dachte damals bereits darüber nach, warum mittlerweile selbst in den USA Fußball einen solchen Stellenwert erreicht hatte. Jedes Mal, wenn im Sportunterricht meine Mitschüler wie zwanzig Idioten dem Ball hinterherrannten, saß ich am Spielfeldrand und durfte die Getränke anreichen. .
, dass ich damals nicht zuordnen konnte. Jetzt weiß ich, es muss eine Art Omen gewesen sein. Zumindest erinnere ich mich, wie es an mir zehrte. Ich ahnte, dass dieser Rückweg noch eine besondere Überraschung für mich bereithalten sollte. Ich erinnere mich, einige Tage zuvor darüber in den Psychologiebüchern meiner Mutter gelesen zu haben. Menschen entwickeln eine Art „sechsten Sinn“, einen ähnlichen, der auch Spinnen nachgesagt wird. Wir wissen genau, dass etwas Schlimmes passieren wird, doch können dieses Gefühl, diese Vorahnung nicht deuten. Und genauso fühlte es sich an jenem Tag an. Mein Gott, ich wusste, etwas Schreckliches wird passieren!
So war ich, in diesen Gedanken versunken, an der Hauptstraße angekommen, gerade als ein Schneesturm zu toben begann. Die Mütze der Jacke weit über mein Gesicht gezogen, machte ich den ersten Schritt auf die Straße, um sie zu überqueren.

Der vom Ruß verfärbte Schnee unter meinen glatten Schuhen gab ein matschiges Geräusch von sich und es fiel mir schwer, das Gleichgewicht zu halten. Trotzdem musste ich weiter. Und so hatte ich langsam mit unsicherem Schritt die Fußgängerinsel in der Mitte der Straße erreicht. Zwei weitere kurze Schritte später aber bestätigte sich dieses schwer zu definierende Gefühl in meiner Magengrube brutal und erbarmungslos, beginnend mit einem lauten Hupen. Ein kurzer letzter Blick war alles, was ich damals noch dem heranrasenden Auto entgegenbringen konnte, während mir ein Satz meines Dads in die Erinnerung drängte: »Morgen bauen wir nach der Schule einen Schneemann.«
Zu spät.

 

Horror Thriller Buch “Einzelkind – Es kommt uns holen” von Daniel Jaro

Ich freue mich wenn euch mein Buch Einzelkind gefällt und warte gespannt auf euer Feedback, welches ich persönlich beantworte.

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